Wenn allein die Stimme zählt: Malteser begleiten Sterbende und Trauernde derzeit telefonisch

Kerstin Kurzke, Leiterin der Hospiz- und Trauerarbeit der Berliner Malteser, hat sich auf die neue Situation eingestellt: Sie begleitet derzeit nur noch telefonisch.

„Weil Nähe zählt“ lautet das Motto der Malteser. Auch und erst recht jetzt in Zeiten der Corona-Pandemie. Viele Dienste haben ihre Arbeit umgestellt und begleiten jetzt telefonisch. Anderen nah sein trotz Kontaktverbot – wie geht das? Eine Frage, die sich erst recht im Bereich der Sterbebegleitung stellt. Wir haben Kerstin Kurzke, Leiterin der Hospiz- und Trauerarbeit der Berliner Malteser, nach einer ersten Bilanz gefragt.

Normalerweise gehen Sie zu den Kranken nach Hause, ins Pflegeheim oder ins Krankenhaus, sprechen mit ihnen und halten vielleicht auch die Hand – jetzt können Sie „nur“ telefonieren. Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen damit?

Kurzke: Das ist natürlich eine besondere Herausforderung für alle, die in der Hospiz- aber auch Trauerbegleitung arbeiten. In unserer Arbeit sind wir es gewohnt, auf die Gestik und Mimik des Gegenübers zu achten. Wir beobachten mit den Augen, und unsere Körperhaltung, unser Gesichtsausdruck kann dem Gegenüber signalisieren: „Wir sind für Sie da.“ Im Moment hören wir nur die Stimme des Anderen und schärfen unseren Hörsinn. Wie ist die Stimmlage? Spricht jemand schneller oder langsamer, höher oder tiefer? Das ist eine ganz neue Situation, auf die wir uns in den letzten drei Wochen immer besser eingestellt haben. Wir spüren, dass es uns auch in persönlichen Telefonaten gelingt, Vertrautheit aufzubauen, Halt und Nähe zu schenken und somit vielleicht ein klein wenig dazu beitzutragen, die Einsamkeit zu minimieren. Hierbei sind wir nicht nur für den kranken Menschen sondern auch – und z.T. auch in erster Linie - für seine Angehörigen ein wichtiger Gesprächspartner.

Wie haben Sie Ihre haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter auf diese neue Situation vorbereitet?

Kurzke: Zunächst war das für alle Beteiligten schon ein Sprung ins kalte Wasser. Wir tauschen uns immer wieder aus und besprechen Ideen, wie der Kontakt gestaltet werden kann. Neben Telefonaten schreiben Ehrenamtliche Briefe und bunte Karten. Außerdem wird geskypt oder sich per Videochat ausgetauscht. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es hilfreich ist, sich zum Telefonieren zu festen Zeiten zu verabreden.

Was braucht es konkret, um mit dieser ungewohnten Situation umzugehen?

Kurzke: Im Prinzip kann man schon sagen, dass es eine ganz neue Herangehensweise ist, für die wir in der Hospizarbeit auch das entsprechende Handwerkszeug brauchen. Deshalb arbeiten wir gerade an einem Leitfaden, den wir unseren Hospiz- und TrauerbegleiterInnen mit an die Hand geben möchten. Darin fließen hilfreiche Empfehlungen der Telefonseelsorge und des Krisendienstes ein, mit denen wir uns hierzu austauschen. Sie sind in der telefonischen Begleitung und Beratung von Menschen in besonderen Phasen sehr erfahren. Wir merken bei der Umsetzung, dass es tatsächlich möglich ist, Vertrautheit und Nähe aufzubauen.

Sie haben auch einen Dienst, der Familien mit einem erkankten Elternteil und abschiednehmenden, minderjährigen Kindern unterstützt: Wie gestaltet sich dort die Begleitung?  

Kurzke: Diese Familien stehen im Moment vor ganz besonderen Herausforderungen. Neben der aktuellen schwierigen Situation von Familien in Zeiten von Corona – Leben mit Existenzängsten, mehrfach Belastung durch Homeschooling, beengte Wohnverhältnisse – müssen diese Familien sich zusätzlich noch mit der Erkrankung und dem möglichen Versterben eines Elternteils oder Partners auseinandersetzen. Auch hier sind wir mit den Familien im engen telefonischen Kontakt und je nach Alter der Kinder wird auch per Skype „gespielt“ und Freizeit gestaltet. Unser eigentliches Angebot, dass Ehrenamtliche die Familien entlasten, in dem sie mit den Kindern aktiv Zeit im Freien gestalten, ist derzeit leider überhaupt nicht möglich.

Was ist, wenn Menschen lebensbedrohlich an COVID-19 erkranken und sterben - wie kann der Malteser Hospizdienst helfen?

Selbstverständlich sind wir auch für COVID_19 erkrankte Menschen ansprechbar, sofern für diese eine telefonische Begleitung möglich ist. Wir gehen – aufgrund des schnellen Krankheitsverlaufs – eher davon aus, dass sich deren Angehörige bei uns melden werden. Hier wird es womöglich Gesprächsbedarf geben, da es manche belasten wird, wenn sie auf Grund der restriktiven Besucherregelungen in den Krankhäusern und Pflegeheimen nur eine Stunde am Tag zu ihren sterbenden Angehörigen dürfen.

Zudem bereiten wir uns mit unserer Trauerarbeit darauf vor, Nahestehende zu begleiten, in deren Umfeld Menschen an Covid19 verstorben sind und es keinen oder nicht genug Zeit für den Abschied gab.

Seit vielen Jahren haben wir mit unserer Anlaufstelle für Trauernde in Berlin ein eigenes Angebot für Angehörige, die um einen Menschen trauern und damit nicht allein sein möchten. Hinsichtlich der neuen Corona-Virus-Erkrankung hören wir aus anderen Krisengebieten wie Italien und Spanien, dass sich Angehörige nicht einmal mehr von ihren Verwandten verabschieden konnten. In Deutschland sind im Moment keine Verabschiedungen am offenen Sarg und kirchliche Trauerfeiern möglich. Beerdigungen finden zurzeit nur im ganz engen Kreis statt. Hier möchten wir gerne beistehen und Hilfe anbieten. Betroffene Menschen können sich gerne an uns wenden.  
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Derzeit begleitet der Berliner Hospizdienst der Malteser 170 Menschen, die lebensverkürzt erkrankt sind und sich auf ihren Tod vorbereiten, sowie 90 Trauernde.

So erreichen Sie die Hospiz- und Trauerarbeit der Malteser:

Tel.: 030/656 61 78-25 (Hospizdienst)
Tel.: 030/656 61 78-26 (Anlaufstelle für Trauernde)
Tel.: 030/656 61 78-27 (Kinderhospiz- und Familienbegleitdienst)
oder per mail: hospiz.berlin@malteser.org

Alle Informationen zur Hospiz- und Trauerarbeit der Malteser in Berlin finden Sie unter www.malteser-berlin.de/hospiz