Wohnen im Alter: Alles andere als Heimcharakter

Im Wohnquartier in Tempelhof können die Mieter entscheiden, welche Aufgaben sie selber übernehmen und wo sie Unterstützung brauchen.
Olga Oppermann (80) tanzt in ihrer Wohnung gern Rock'N'Roll mit dem Rollator.
"Unsere Bewohner achten aufeinander", sagt die Leiterin der Wohnreinrichtung, Katrin Hessler.
Karin Papke (81) fand in Berlin-Tempelhof ein Wohnkonzept, das zu ihrem Leben passt.

Berlin. Für Karin Papke war der Umzug ein Neubeginn. Als ihr Mann starb, wusste die Rentnerin, dass sie nicht in ihrer kleinen Wohnung in Berlin-Schöneberg bleiben wollte. „Jetzt muss ich etwas suchen, wo viele Menschen allein sind“, sagte sich die Seniorin und fand im vom Malteser Hilfsdienst betreuten Avila Betreutes Wohnen Sankt Teresa in Berlin-Tempelhof ein Wohnkonzept, das zu ihrem Leben passt.

Die 81-Jährige sitzt auf ihrem Balkon in der zweiten Etage ihrer Mietswohnung und beobachtet wie sich Bienen auf den Blumen in ihren liebevoll bepflanzten Balkonkübeln niederlassen. Wenn sie nach links und rechts sieht, blickt sie auf eine gepflegte Wohnanlage mit neun modernen dreigeschossigen Wohnhäusern. Der Berlinerin war es wichtig, dass ihre neue Wohnung „nicht zu heimartig“ ist. Denn sie ist trotz hohen Alters körperlich und geistig fit. Obwohl sie viele Jahre ihres Lebens in einem Haus mit Garten lebte, fühlt sie sich nun in ihren zwei Zimmern auf 48 Quadratmetern zu Hause. „Meine neue Wohnung ist hübsch und klein“, sagt sie. Weil sie gern selber kocht, hat sie sich in ihrer Küche sogar einen Induktionsherd einbauen lassen. „Geht schneller“, sagt die Seniorin, die auch ihre Einkäufe noch allein mit dem Auto erledigt.

„Unsere Bewohner schätzen es, dass sie bei uns weiter ein selbstbestimmtes Leben führen können“, sagt Katrin Hessler, Leiterin der Tempelhofer Wohneinrichtung. 195 Frauen und Männer, darunter 30 Ehepaare, leben im Wohnpark Sankt Teresa. Die jüngste Bewohnerin ist 62 Jahre alt, die älteste 97. In ihren 43 bis 80 Quadratmeter großen, barrierefreien Wohnungen können die Mieter eigenständig entscheiden, welche Aufgaben sie übernehmen und wo sie Unterstützung brauchen. „Während einem im Seniorenheim alles abgenommen wird, gehen unsere Bewohner noch selbstständig zur Bank, kaufen ein, putzen ihre Wohnung und kochen. Wer aber unsere Hilfe benötigt, kann auf die Malteser zählen“, erklärt die Leiterin.

Das Malteser-Paket sorgt für Sicherheit und Abwechslung

Über eine monatliche Pauschale sind die Bewohner etwa über das Hausnotruf-System abgesichert, sollte ihnen in ihrer Wohnung etwas zustoßen. Stürzt ein älterer Herr in seinem Bad und kommt nicht wieder allein auf die Beine, kann er seinen Hausnotruf-Knopf drücken und die Malteser sind innerhalb kürzester Zeit zur Stelle. Auch wenn eine Bewohnerin mal jemanden zum Reden braucht oder Unterstützung bei Behörden-Angelegenheiten benötigt, ist das vierköpfige Malteser-Team für sie da. Die Malteser sind auch diejenigen, die die Bewohner auf der Suche nach externen Dienstleistern unterstützen. Ist jemand auf der Suche nach einer Reinigungskraft, einer Fußpflege oder jemandem, der die Wäsche erledigt, vermitteln die Malteser passende Ansprechpartner. Alles kann, nichts muss ist zusammengefasst das Konzept, dass diese Wohnform so besonders macht.  

Auch das Freizeitangebot in Sankt Teresa überzeugt viele Berliner, dort eine Wohnung zu beziehen. Neben Veranstaltungen wie Aquarellmalkursen, einer Jongliergruppe, Kaffee-Nachmittagen und Festen gibt es auch einen wöchentlichen Gottesdienst, der im Freizeitraum auf dem Gelände stattfindet. Bei allem gilt: Wer mag darf mitmachen, muss aber nicht.

„Ich will in meiner Freiheit nicht eingeengt sein.“

Die 80-jährige Olga Oppermann nimmt an diesem Vormittag an einem Erste-Hilfe-Kurs für Senioren teil.  Einmal in der Woche geht sie zum Yoga. Die adrett gekleidete Seniorin mit den rot lackierten Fingernägeln will auch im Alter aktiv bleiben. Jeden Morgen schaltet sie in ihrer Wohnung das Radio ein. „Dann wird mit dem Rollator Rock’N’Roll getanzt“, sagt sie. Sie sei glücklich, vor einem Jahr ihre Stadtwohnung im sechsten Stock ohne Fahrstuhl gegen eine barrierefreie Wohnung im betreuten Wohnpark eingetauscht zu haben. „Das Malteser-Team ist spitze: freundlich, nett und entgegenkommend“, sagt sie. Was ihr auch gefällt: Dass sie in der Wohnanlage immer wieder auf nette Nachbarn trifft.

Auch Karin Papke mag es, dass um sie herum freundliche Menschen wohnen. „Man unterhält sich locker über den Balkon, aber es gibt kein Muss alles gemeinsam zu machen“, sagt sie. Die 81-Jährige ist immer noch viel außerhalb der Wohnanlage unterwegs, trifft sich mit früheren Arbeitskollegen und fährt mit dem Auto ins Schwimmbad. „Ich will in meiner Freiheit nicht eingeengt sein“, sagt sie.

Die Selbstständigkeit der Bewohner sei es auch, die sie jung halte, sagt Katrin Hessler. „Unsere Bewohner können im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Begabungen unsere Gemeinschaft aktiv mitgestalten. Das hält fit und stärkt die Freude und den Spaß am Leben.“ Nicht zu unterschätzen sei auch das starke Netzwerk unter den Bewohnern, die gegenseitig auf sich achten würden. „Wenn eine Mieterin ein beim Nachbarn abgegebenes Päckchen tagelang nicht abholt oder die Jalousie zwei Tage heruntergelassen ist, informieren uns unsere Bewohner“, sagt die Einrichtungsleiterin. Die Mieter würden dieses Gemeinschaftsgefühl sehr schätzen. Eine Bewohnerin habe das Wohnkonzept kürzlich gut zusammengefasst und von ihrem „Dörfchen in Tempelhof“ gesprochen. Das trifft es ziemlich genau, findet Katrin Hessler.

Text und Fotos: Diana Bade