Integration und Corona: „Nähe geht auch digital“

„Wir machen das“: Mit dieser Kampagne suchen die Berliner Malteser weitere Ehrenamtliche, die geflüchteten Frauen, Männern und Familien helfen. Foto: Yazan Albaour

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Integration lebt von Nähe, direkten Begegnungen und Freizeitaktivitäten. Corona ist genau das Gegenteil. Wie ist der Malteser Integrationsdienst mit den Kontaktbeschränkungen umgegangen?

Anne Langhorst: Die Nachricht, unsere Aktivitäten aufgrund der Corona-Kontaktbeschränkungen vorerst nicht weiterführen zu können, traf uns hart. Es klang für uns zunächst paradox: Wie sollen wir Begegnungsräume schaffen, wenn wir uns nicht physisch begegnen dürfen? Wir vier Beschäftigten an den beiden Berliner Standorten mussten umdenken und uns die Frage neu stellen, was aus den Menschen wird, die auf unsere Angebote angewiesen sind und sich auf uns verlassen. 

Wie ist es dem Team vom Malteser Integrationsdienst trotzdem gelungen, neue Begegnungsräume zu schaffen?

Langhorst: Zum einen nahmen wir uns vor, Ruhe auszustrahlen und Menschen mit Migrationshintergrund umfassend zu informieren über rechtliche Regelungen, aber auch über Beratungs- und Hilfsangebote während der Corona-Pandemie. So entstanden drei Übersichtspapiere zu Hilfeleistungen, digitalen Lernangeboten sowie Freizeitangeboten in Zeiten der Kontaktbeschränkung. Darüber hinaus haben wir uns auf digitale Angebote konzentriert und versucht, damit einen geregelten Tagesablauf zu schaffen.

Welche neuen digitalen Angebote gibt es seit Corona für Geflüchtete?

Langhorst: Es gab digitale Gesprächskreise und Patenschaften. Unsere Ehrenamtlichen hatten aber auch sehr kreative Ideen, wie ein regelmäßig stattfindender digitaler Stadt-Land-Fluss oder Bingo-Abend. Die Frauengruppe steht bis heute über die Videoplattform Zoom in engem Austausch: Statt des gemeinsamen Kochens machen sie nun Videos von Rezepten, kochen oder backen zusammen, aber räumlich getrennt und tauschen sich regelmäßig darüber aus. Um trotz der heimischen Quarantäne in Form zu bleiben, haben wir zudem ein digitales Sportprojekt mit Yoga-, Tanz- und Fitnesskursen angeboten. Das machte unseren Ehrenamtlichen und Geflüchteten besonders Spaß.

Seit Beginn der Pandemie näht eine Gruppe geflüchteter Frauen und ehrenamtlicher Integrationslotsinnen Schutzmasken für die Berlinerinnen und Berliner. Wie kam es dazu?

Langhorst: Dabei handelt es sich um ein Projekt, das nicht erst seit der Maskenpflicht im ÖPNV oder in Supermärkten für viel Aufmerksamkeit sorgte. Das Masken-Nähprojekt ist deshalb besonders, weil sich geflüchtete Frauen und solche, die schon länger in Berlin leben, trotz Kontaktverbot über soziale Netzwerke austauschen können und gemeinsam einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. „Weil Nähe(n) zählt“ ist das Motto für die fünf geflüchtete und 16 ehrenamtlich Frauen.

Welche sozialen Aspekte steckten hinter dem Nähprojekt?

Langhorst: Die Frauen nähten zwar räumlich getrennt, aber mit einem gemeinsamen Ziel: Bedürftigen zu helfen. Die Behelfsmasken werden an soziale Einrichtungen und Menschen gespendet, die sich den Kauf einer Behelfsmaske nicht leisten können. Bisher wurden etwa 800 Masken genäht und verteilt. Die Nähmaterialien werden den nähenden Frauen mit der Post nach Hause geschickt, genäht wird nach einem Video-Tutorial unseres Kooperationspartners „SUERE- Fashion with a mission“.

Welche positiven Entwicklungen haben Sie neben all den Schwierigkeiten, die die Pandemie mit sich brachte, für die Integrationsarbeit gezogen?

Langhorst: Unsere Ehrenamtlichen waren sehr kreativ in der Krisenzeit. Auch verzeichnen wir seit Pandemiebeginn ein großes Interesse am Ehrenamt. Viele neue Leute, wollen sich bei uns engagieren. Unsere Standorte sind durch die digitale Vernetzung enger zusammengerückt. Die Leute kamen von überall aus im Netz zusammen. Ein Beispiel hierfür ist das digitale Sportprojekt, bei dem eine der Ehrenamtlichen teilnahm, die in Karlsruhe wohnt. Der Umgang mit digitalen Vernetzungstools wie Zoom oder jitsi meet hat uns zudem geholfen, die Krise zu meistern und unsere Arbeit in Zukunft effizienter zu gestalten.

Was nehmen Sie aus der Krise für die zukünftige Arbeit des Integrationsdienstes mit?

Langhorst: Wir haben bewiesen, dass die Malteser verlässlicher Partner in Krisenzeiten sind. Der Krisenmodus hat unser Team enger zusammenwachsen lassen. Und wir haben einmal mehr gezeigt, was Nächstenliebe in Krisenzeiten im Jahr 2020 heißt: Nähe kann für einen gewissen Zeitraum auch über kreative, vor allem digitale Lösungen hergestellt werden. Trotzdem sind wir uns alle einig, die physische Begegnung, das gemeinsame Essen, Lachen und Reden, die persönlichen Eindrücke und Wahrnehmungen können in ihrer Vielfalt, langfristig nicht durch ein digitales Miteinander ersetzt werden. Wir hoffen, dass diese Krise bald ausgestanden ist und wir zu einer neuen Normalität zurückkehren können.

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