Während der Zeit der massiven Corona-Beschränkungen war es schwer, Sterbende und Trauernde zu begleiten. Inwieweit haben Sie und Ihr Team die Hospizarbeit angepasst?
Kerstin Kurzke: Nachdem wir aufgrund der Corona-Bestimmungen im Frühjahr 2020 über sechs Wochen lang keine Vorortbegleitungen, sondern nur über Telefon und Video-Call Unterstützung anbieten durften, sind wir seit Mai 2020 wieder mehr und mehr bei den Menschen vor Ort präsent, in ihrem Zuhause, im Pflegeheim oder Krankenhaus. Unsere Mitarbeitenden sind inzwischen zum Großteil zweifach geimpft. Wir tragen FFP2-Masken und führen Corona-Tests bei unseren Ehrenamtlichen durch. Ansonsten sind die Begleitungen wie zuvor: Wir sind Gesprächspartner, leisten Gesellschaft, wenn pflegende Angehörige das Haus verlassen müssen und sind entlastendes Gegenüber.
Sind die Anfragen nach Begleitung von sterbenden Menschen zurückgegangen?
Kurzke: Aufgrund der Pandemie sind unsere Begleitungen im Vergleich zu den Vorjahren um 20 Prozent zurückgegangen. Ein Grund hierfür ist sicherlich, dass alle stationären Einrichtungen vor allem die Pflegeheime im ersten Lockdown bis zu den Impfungen ihrer Bewohnerinnen und Bewohner gänzliche bis erhebliche Besuchseinschränkungen hatten. Erste Ausnahmeregelungen waren zunächst Kontaktmöglichkeiten zu Menschen in der Sterbephase. Auch bei den Begleitungsanfragen zu Hause gab es zunächst einen Rückgang. Hier merken wir aber, dass die anfängliche Unsicherheit, sich gelegt hat. Palliativärzte und Pflegedienste sehen die Not vor Ort – und melden sich bei uns, um eine Begleitung zu vermitteln.
Wie nehmen Sie den Schwerkranken, den Sterbenden und ihren Angehörigen die Angst für möglicher Ansteckung mit Corona?
Kurzke: Sterbebegleiter werden prioritär geimpft. Das ist eine große Erleichterung für unsere Arbeit. Und auch darüber hinaus haben wir Malteser hohe Hygienestandards: Zu unserem Arbeitsalltag gehören Selbst- und PoC-Tests. Auch FFP2-Masken, Desinfektionsmittel und Handschuhe werden unseren Ehrenamtlichen in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt. Alle Ehrenamtlichen haben eine entsprechende Verpflichtungserklärung zur Einhaltung der Hygienevorschriften unterzeichnet. Krankenhäuser melden uns zurück, dass sie bei unseren Mitarbeitenden merken, dass wir einen sicheren Umgang mit den notwendigen Schutzmaßnahmen haben.
Warum ist es gerade jetzt wichtig, dass schwerstkranke und sterbende Menschen Hilfe von außen annehmen?
Kurzke: Wir bemerken bei den Leuten zu Hause eine hohe Belastung der Angehörigen, auf deren Schultern momentan noch mehr lastet als sonst, weil viele weitere Hilfen schwer zugänglich sind. In den Heimen spüren wir eine hohe Einsamkeit und zum Teil Verzweiflung: Es fehlt so sehr an Menschen, die zuhören, Nähe geben und Zeit haben für gemeinsame Erlebnisse wie Musik hören, Fotos ansehen, von früher erzählen, Ängste teilen oder Ablenkung erleben.
Was können die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer leisten?
Kurzke: Unsere Ehrenamtlichen geben in der Hinsicht viel Entlastung und Nähe. Die Rückmeldungen sind überwältigend. Viele sind sehr dankbar und erleichtert, dass wir trotz der Pandemie weiterhin zu ihnen kommen. Und wir sind personell in der Lage, noch mehr Menschen zu unterstützen. In den vergangenen Monaten haben wir neue Ehrenamtliche gewinnen und ausbilden können – auch viele junge Menschen. Sie sind alle geimpft und stehen bereit, Begleitungen zu übernehmen
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie müssen viele Familien erleben, dass sie ihre Familienmitglieder nicht beim Sterben im Krankenhaus oder den Heimen begleiten durften. Wenden sich deshalb mehr Trauernde an die Malteser?
Kurzke: Bisher verzeichnen wir keinen Anstieg der Anfragen. Aber bei den Leuten, die zu uns kommen, spielen diese Themen rund um die fehlenden Abschiede zunehmend eine Rolle. In unseren Gesprächen suchen wir gemeinsam nach Möglichkeiten, wie man einen Abschied nachträglich gestalten kann und welche Rituale dabei helfen könnten.