Berlin. Es ist der Moment, dem Zehntausende in dieser Sommernacht entgegengefiebert haben: Der Künstler betritt die Bühne, die Zeitreise in die 80-er beginnt.
Draußen groovt der Superstar und begeistert das Publikum, hinter den Kulissen rockt das Ehrenamt: Die Sanitätskräfte des Malteser Hilfsdienstes müssen jetzt Ruhe bewahren: Zwei Helfer stützen eine Frau, Anfang 30, und begleiten sie in die erst vor wenigen Stunden aufgebaute Unfallhilfsstelle. Sie klagt über Kreislaufprobleme. Ein Helfer misst ihren Blutdruck und reicht ihr ein Glas Wasser. Sie fühlt sich schnell besser. Ein paar Feldbetten weiter ist die Lage ernster. Ein Notarzt muss hinzugezogen werden, weil ein Konzertbesucher in der Menge zusammengebrochen war. Jetzt ist der Patient wieder ansprechbar, klagt aber über Schmerzen in der Brust. Die Helfer wissen, was zu tun ist. Das Team wirkt eingespielt – muss es auch, denn genau das ist heute der Auftrag: Handeln und helfen, sollte es mal ernst werden.
Denn 130 Sanitätskräfte, Rettungsassistenten und Notfallsanitäter der Berliner Malteser sind an diesem Tag Anfang Juni für die Konzertbesucher im Einsatz, damit sie im Notfall erstversorgt werden können. Mit dabei sind auch Helferinnen und Helfer aus Braunschweig, Hagen und Preith. Es ist die erste von vier Großveranstaltungen in der Hauptstadt, bei denen die Ehrenamtler im Hintergrund rocken, damit die Fans unbeschwert ihren Superstar feiern können. Damit gleich beim Auftaktkonzert jeder Handgriff sitzt, muss die Logistik von Beginn an stimmen.
Wenige Stunden zuvor. Noch ist kein Konzertbesucher auf dem Gelände zu sehen. Es ist 14.30 Uhr, alle Rettungsfahrzeuge sind bereits auf dem Gelände, die mobilen Unfallhilfsstellen eingerichtet, Sanitätswagen, Tragen und Feldbetten stehen an Ort und Stelle. Einsatzleiter Alexander Körber steht draußen auf der Wiese vor dem Einsatzort und sammelt die Hauptverantwortlichen um sich. Er bereitet sie auf mögliche Szenarien vor und erinnert daran, auch auf die eigene Mannschaft aufzupassen. „Achtet darauf, dass unsere Leute genug trinken und dass sie regelmäßig ausgewechselt werden“, sagt Körber. Denn bei Temperaturen um die 27 Grad, das weiß auch sein Stellvertreter Martin Glavas, wird das Wetter die große Herausforderung des Tages sein, vor allem für ältere Konzertbesucher. „Es besteht Gefahr, dass die Leute dehydrieren und Kreislaufprobleme bekommen“, erklärt er.
Damit auch die Helfer der Malteser während des zwölfstündigen Einsatzes gestärkt ihrer Arbeit nachgehen können, sorgt das achtköpfige Betreuungsteam rundum Andreas Stachetzki dafür, dass sie ausreichend mit Getränken und Essen versorgt werden. Chili aus der Küche des Malteser Krankenhauses steht heute auf der Speisekarte – mit und ohne Fleisch. Das schmeckt saisonal eigentlich nach Winter. Doch der Essensexperte winkt ab: „Die Schärfe ist an warmen Sommertagen nicht schlecht, um den Kreislauf anzuregen.“
Schließlich müssen die Helfer den ganzen Tag in kompletter Einsatzkleidung bei voller Konzentration arbeiten. Was viele nicht wissen: Ihr Einsatz ist keineswegs selbstverständlich. Alle Helfer, die sich heute für andere engagieren, nehmen sich dafür bis zu zwölf Stunden Zeit und bekommen für ihren Helfer-Job keinen Cent. Unter ihnen sind viele, die sich in ihrem eigentlichen Job einen Tag frei genommen haben, um dabei sein zu können.
So wie Julian Garz, der hauptberuflich als Rettungsassistent in Potsdam arbeitet. „Für mich geht heute ein Urlaubstag drauf“, sagt er. Doch das stört ihn nicht. „Das Publikum zahlt heute bis zu 200 Euro für eine Konzertkarte und ich sehe den Künstler so.“
Sein Helferkollege Florian hatte noch ein bisschen mehr Glück. Ihn hat sein Arbeitgeber, die Münchner IT-Firma „Sys 4“, einen Tag für den ehrenamtlichen Einsatz freigestellt. Den 32 Jahre alten Informatiker freut’s nicht nur deshalb, weil er diesen Künstler gern mag. „Ich find’s einfach nett, anderen zu helfen.“ Auch beim nächsten Großkonzert einer bekannten deutschen Rockband ist der Berliner wieder als Einsatzsanitäter für die Malteser dabei. „Helfen macht deutlich mehr Spaß, wenn die Musik gut ist“, sagt Florian, nimmt seinen Sanitätsrucksack und zieht wieder los in die Menge.