Berlin. Die ersten Haarsträhnen fallen auf den Boden. Xenia sitzt auf einem Drehstuhl vor einem kleinen, runden Spiegel und sieht dabei zu, wie Friseurin Claudia die Schere ansetzt. Die Ukrainerin auf dem Frisierstuhl kommt aus Chmelnyzkyj in der Westukraine. Es ist ihr erster Friseurbesuch seit dem Kriegsausbruch am 24. Februar 2022.
„HairBerlin“ heißt der kleine Salon, den das Malteser-Team im Ankunftszentrum für Geflüchtete auf dem ehemaligen Flughafengelände in Berlin-Tegel eröffnet hat. Die Haarschnitte in dem kleinen Container auf dem Rollfeld sind kostenlos, denn bei diesem Angebot geht es um viel mehr als nur um eine neue Frisur: Ähnlich wie bei dem zweiten von den Maltesern neu initiierten Projekt in Tegel, einem Chor für Geflüchtete, steht hier das Wohlbefinden der Geflüchteten im Fokus.
Neue Angebote wie diese sind im Ankunftszentrum entstanden, weil sich die Situation dort aufgrund des andauernden Krieges in der Ukraine verändert hat. War das Ankunftszentrum ursprünglich darauf ausgerichtet, dass die Menschen dort maximal drei Tage unterkommen, sind es inzwischen nicht mehr nur Stunden oder ein paar Nächte, sondern oft mehrere Wochen. Neben der klassischen Betreuung und Versorgung braucht es deshalb auch Integrations- und Beschäftigungsangebote. Mit den Angeboten sollen Lagerkoller und Spannungen untereinander vorgebeugt werden. „Mit unseren Projekten wollen wir zeigen: Hier kümmert sich jemand mit Herz um die Geflüchteten. Denn wir als Hilfsorganisation sind nicht nur der funktionale Betreuungsapparat“, sagt Max Devantier, Leiter des Malteser-Teams in Tegel.
„Bei einigen Kunden sind Tränen geflossen“
Wie wichtig solche Angebote sind, erlebt die gelernte Friseurin Claudia täglich in ihrem Salon. „Bei einigen Kunden, die hier saßen, sind Tränen geflossen“, erzählt sie. Denn viele Frauen und Männer hätten im Friseursalon nach Monaten des Krieges und der Flucht hier endlich wieder einen Moment für sich.
Als Helferin betreut die 50-Jährige im Ankunftszentrum Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Sie und die Kolleginnen und Kollegen, beziehen Betten, beantworten Fragen und weisen den Geflüchteten die Wege auf dem riesigen Gelände. Vor ihrer Arbeit bei den Maltesern war Claudia im Salon eines Berliner Promi-Friseurs beschäftigt. „Natürlich ist es mir da im Ankunftszentrum aufgefallen, dass die Menschen dringend einen Haarschnitt brauchen.“ Claudia besprach sich mit dem Leitungsteam der Malteser. Auch dort sah man den Bedarf. Mit Spendengeldern wurden Handtücher, Seife und Tische besorgt. Parallel rief die Friseurin auf ihrem privaten Facebook-Account zu Sachspenden wie Schaumfestiger, Frisierumhänge und Bürsten auf.
Am 4. Januar um 9.30 Uhr stand dann der erste Termin in Claudias Kalender. Seither ist sie wochentags bis in den Nachmittag hinein komplett ausgebucht. Täglich freuen sich bis zu acht Frauen, Männer und Kinder über ihre Frisur. Claudia würde gern mehr Termine vergeben und sucht deshalb über Aushänge nach gelernten Friseurinnen und Friseuren unter den Geflüchteten, die Lust haben beim Projekt mitzumachen.
Chor für Geflüchtete als Freizeitangebot
Für eine andere Form der Abwechslung in Tegel soll zudem der im Dezember gegründete Chor für Geflüchtete sorgen. Zweimal in der Woche können ukrainische Kinder und Erwachsene gemeinsam Chorstücke proben. „Singen hebt die Stimmung und steigert nachweislich das allgemeine Wohlbefinden“, sagt Felicitas Jalsovec von den Malteser Werken, die Projekte zur Mentalen Gesundheit von Geflüchteten und Helfenden koordiniert. Am 6. Januar hatte der Chor sogar einen ersten großen Auftritt: Gemeinsam mit den Sternsingern einer Berliner Kirchengemeinde sangen die Ukrainerinnen und Ukrainer im Beisein des ukrainischen Botschafters ukrainische Lieder.
So helfen die Malteser ukrainischen Geflüchteten in der Hauptstadt:
Die Malteser sind in der Hauptstadt an den drei Standorten Hauptbahnhof, Zentraler Omnibusbahnhof und im Ankunftszentrum in Tegel im Einsatz für Menschen, die vor dem Krieg nach Deutschland fliehen mussten.
Am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) kümmern sich die Malteser seit einem Jahr darum, ankommende Ukrainer zu informieren und ihnen einen Shuttle zum zentralen Ankunftszentrum in Tegel zu organisieren.
Im Ankunftszentrum im ehemaligen Flughafen Tegel sind die Malteser gemeinsam mit den Berliner Hilfsorganisationen im Auftrag des Landes Berlin seit Mitte März Ansprechpartner für ukrainische Kriegsflüchtlinge. Auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens in Tegel betreuen die Malteser aktuell einen Bereich mit 1400 Betten. Kernaufgabenbereich der mehr als 220 Mitarbeitenden der Malteser in Tegel ist neben der Betreuung der Unterkunftsbereiche das Informationsmanagement.